Einblick

„Es ist wie in einem Süßwarenladen“

David Blitz, Chief Researcher von Robeco, gibt in seiner neuesten Studie Einblick in Faktorrenditen unter verschiedenen Marktbedingungen.

Autoren/Autorinnen

    Chief Researcher

Zusammenfassung

  1. Eine Analyse zu über 150 Aktien-Faktoren deutet auf langfristig positive Prämien hin.
  2. Faktoren mit positivem Beta weisen kein Alpha auf, während andere in Bärenmärkten die beste Performance erreichen.
  3. Die Analyse bestätigt saisonale Momentum-Effekte und macht robuste Anlagestrategien möglich.

Nach der Untersuchung von über 150 Aktien-Faktoren deckt Blitz um Beta bereinigte stabile Alphas auf und bestätigt saisonale und Momentum-Effekte. Diese Erkenntnisse über das Verhalten von Faktoren helfen bei der Entwicklung robusterer faktorbasierter Anlagestrategien. Vor kurzem haben wir mit David Blitz über seine Analyse gesprochen: „The cross-section of factor returns“.

Von Natur aus neugierig

„Als Researcher verwenden wir seit vielen Jahren die Faktoren von Fama und French, die diese auf ihrer Website mit einer langen Historie bereitstellen. Diese Faktoren sind erschöpfend untersucht worden. Dazu gehören der Size-, der Value- und der Momentum-Faktor sowie weitere Faktoren, die Fama und French erst in letzter Zeit hinzugefügt haben. Über diese Faktoren wurde so viel geforscht, dass wir sie inzwischen sehr gut verstehen.“

Es ist wie in einem Süßwarenladen. Früher hatte man fünf Geschmacksrichtungen zur Auswahl, und heute gibt es 150 Schachteln mit all diesen Süßigkeiten, von denen jede ihren eigenen besonderen Geschmack hat

„Mittlerweile sind in der wissenschaftlichen Literatur alle möglichen Faktoren vorgeschlagen worden. Jetzt gibt es ein ganzes Heer mit Hunderten von vorgeschlagenen Faktoren. Mehrere Wissenschaftler haben diese Faktoren öffentlich zugänglich gemacht. Anstelle der klassischen drei, vier oder fünf Faktoren gibt es jetzt Bibliotheken mit mehr als 150 Faktoren. Es ist wie in einem Süßwarenladen. Jahrelang konnte man nur zwischen fünf Geschmacksrichtungen wählen. Jetzt gibt es plötzlich über 150 mit einer sehr großen Geschmacksvielfalt.“

„Wir sind von Natur aus neugierig. Sind es tatsächlich 150 verschiedene Faktoren? Es stellt sich heraus, dass das eigentlich nicht der Fall ist. Zum Beispiel gibt es etwa 20 Value-Faktoren. Diese unterscheiden sich aber lediglich in Form und Ausprägung. Letzten Endes steckt dahinter wahrscheinlich ein übergreifender Value-Effekt.“

Grundvoraussetzung

„Zudem gehören einige Faktoren in diesen Bibliotheken anscheinend gar nicht dorthin. Wichtigste Voraussetzung für einen Faktor ist, dass er auf lange Sicht eine höhere Rendite einbringt. Und manche Faktoren erfüllen diese Grundvoraussetzung nicht. Andere sind anscheinend falsch eingestuft, so dass es auch hier noch viel Raum für Verbesserungen gibt.“

„Bei 150 Faktoren kann man auch untersuchen, welche davon hohe und welche niedrige Alphas aufweisen und ob sie etwas gemeinsam haben. Über welche Zeiträumen bringen sie höhere Renditen ein? Bei fünf Faktoren kann das Problem auftreten, dass sie in manchen Zeiträumen einfach nur sehr schwach sind. Hat man aber 150, sollte es immer einige geben, die bei allen denkbaren Rahmenbedingungen eine gute Performance erreichen.“

„150 Faktoren zu haben, eröffnet eine völlig neue Dimension. Man befindet sich auf einer höheren Abstraktionsebene. Sieht man sich nur einzelne Faktoren an, steckt dahinter schon einiges an Überlegung. Baut man aber Strategien auf Faktoren auf, bewegt man sich auf einer anderen Ebene.“

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Fama-French: ausgereift oder veraltet?

„Außerdem könnte die klassische, seit Jahrzehnten verwendete Datenbibliothek von Fama French leicht angestaubt oder sogar überholt sein. Auch wenn diese immer noch als Maßstab dient, verfügen wir inzwischen über sehr viel mehr. Sich auf diese wenigen Faktoren zu beschränken, ist viel zu restriktiv.“

„In meiner Analyse enthalten die Zusammenfassung und die Schlussfolgerung eine Beobachtung, die viele Fragen aufwirft. Die meisten dieser Faktoren weisen eine implizite Neigung in Richtung geringes Risiko auf, was auch erklärt, warum sie in Bärenmärkten tendenziell eine bessere Performance liefern. Betrachtet man die rohen Faktorrenditen, werden diese anscheinend größtenteils in Bärenmärkten erzielt – das sind nur 20 % der Zeiträume. In den restlichen Zeiträumen ist ihre Rendite viel niedriger.“

„Das ist ziemlich schockierend. Bedeutet dies, dass man nur dann faktorbasiert investieren sollte, wenn man der Ansicht ist, dass wir auf einen Bärenmarkt zusteuern? Normalerweise haben Anleger eine optimistische Sichtweise. Denn wären sie wirklich pessimistisch, würden sie erst gar nicht in Aktien investieren. Die Ergebnisse sind aussagekräftig und statistisch belastbar. Mit Schlussfolgerungen sollten wir aber vorsichtig sein. Wir wollen damit nicht sagen, dass man nur dann in Faktoren investieren sollte, wenn man einen Bärenmarkt erwartet.“

Kein Argument gegen faktorbasiertes Investieren

„In dem Papier wird gezeigt, dass ein Faktor mit niedrigem Beta von Natur aus zu Aktien mit niedrigem Beta tendiert. Dies lässt sich aber im Voraus korrigieren. Es gibt auch eine Analyse, derzufolge man durch Bereinigung um das Beta die Empfindlichkeit gegenüber Bullen- und Bärenmärkten praktisch eliminieren kann. Die beiden Abbildungen in Anlage 8 und 9 veranschaulichen dies. Eine davon zeigt einen erheblichen Unterschied zwischen den in Bullen- bzw. Bärenmärkten erzielten rohen Renditen. Betrachtet man aber die um das Beta bereinigte Rendite, ist diese viel stabiler.“

„Das heißt, man sollte Faktoren nicht blindlings implementieren. Man sollte die möglicherweise beträchtliche Empfindlichkeit gegenüber Marktbedingungen beachten und vielleicht vor Implementierung eines Faktors eine Bereinigung vornehmen. Wir steuern diese Risiken sorgfältig mittels verschiedener wechselseitiger Kontrollen. Das ist also kein Argument gegen faktorbasiertes Investieren, sondern eher gegen eine unkritische Umsetzung, die zu unbeabsichtigten Risiken im Portfolio führen könnte. Wir neutralisieren diese Risiken und gehen sorgfältig damit um. Es ist wichtig, dies zu verstehen, bevor man ans Werk geht.“

„Was ich noch erwähnen möchte, ist, dass die Faktorbibliothek zwar 150 Faktoren enthält, deren tatsächliche Anzahl aber vielleicht nur 15 oder 20 beträgt. Das liegt daran, dass es viele Variationen desselben Themas gibt. Außerdem basieren sämtliche Faktoren in dieser Bibliothek auf historischen Daten wie Aktienkursen und Jahresabschlüssen. Und sie enthält noch nicht einmal analystenbasierte Daten oder alternative Datenquellen. Auch wenn die Bibliothek umfangreich zu sein scheint, stellt sie doch nur eine Teilmenge des verfügbaren Materials dar. Mir sind 100 unterschiedliche Faktoren lieber als 150, die sich sehr ähnlich sind.“

„Ungeachtet meiner bisherigen Ausführungen möchte ich den Wissenschaftlern, die diese Datensätze zur Verfügung stellen, meine Anerkennung aussprechen. Sie haben der Branche einen großen Dienst erwiesen, indem sie die Initiative zur Schaffung dieser Ressourcen ergriffen haben. Man sollte sich aber dessen bewusst sein, dass dies nur ein erster Schritt ist und es noch viel mehr zu erforschen gibt. Die zentrale Erkenntnis ist, dass man vorsichtig sein und Faktoren nicht blindlings anwenden sollte.“

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